Kurz und knapp:
Häufig bieten Rechtsschutzversicherungen keinen sinnvollen Schutz. Schließen Sie im Zweifel lieber einen ETF-Sparplan ab.
Rechtsschutzversicherungen reagieren schleppend und erstatten Ihnen selbst im anerkannten Schadensfall oft nichts oder nur einen Teil.
Wenn Sie sich dennoch versichern wollen, schneiden laut Finanztest gut ab: ADAC, Zurich, Concordia. Unter den Verlierern: ARAG, ÖRAG und Advocard.
Seit vielen Jahren veröffentlicht die deutsche Verbraucherzeitschrift „Finanztest“ Tests von Rechtsschutzversicherungen – die oft erstaunlich unkritisch ausfallen. Der Grund liegt darin, dass dort nur eine theoretische Prüfung der Verträge stattfindet. Doch in der Praxis halten sich Versicherungen oft nicht an ihre Verträge oder nutzen (scheinbare) Ermessensspielräume, um auf dem Rücken ihrer Kunden zu sparen. Rechtsschutzversicherungen wissen, dass Klagen gegen die sie zwar rechtlich möglich, oft aber unwirtschaftlich wären und deshalb selten stattfinden. Wegen vielfältiger Schadensformen ist man zudem nicht selten auf Kulanz angewiesen, etwa dann, wenn nicht der Versicherte geschädigt ist, sondern dessen Kind. Und was Ihre Versicherung nicht zahlt, müssen Sie zuschießen.
In der Ausgabe 4/2022 hat „Finanztest“ nun mit dem Deutschen Anwaltverein (DAV) eine Umfrage unter zahlreichen Rechtsanwälten durchgeführt, die ständig mit Rechtsschutzversicherungen abrechnen. Diese bewerten die praktische Leistung der Versicherer im Schadensfall deutlich differenzierter und kritischer (siehe Tabelle unten).
Ergebnis: Die Mehrheit der Rechtsschutzversicherungen
- prüft im Schadensfall wochenlang,
- stellt irrelevante Rückfragen und
- zahlt schlussendlich doch nicht oder unvollständig.
Praktische Problemfälle sind wegen ihrer offenbar marketingbedingt großen Verbreitung (gemessen an der Zahl der abgegebenen Bewertungen) die Anbieter ARAG und Advocard, obwohl diese nicht einmal besonders preisgünstig sind. Die ARAG weist auch die höchte Beschwerdequote je Risiko in der letzten Beschwerdestatistik der BaFin 2022 auf, die niedrigste der ADAC. Gut schneiden bei der BaFin daneben HUK-Coburg, Debeka, R+V und Ergo ab.
Beachten Sie auch folgende Aspekte bei der Auswahl Ihrer Rechtsschutzversicherung:
Nach einer Statistik des Bundesjustizamts führt statistisch jeder Mensch einen Prozess im Leben, Tendenz sinkend. Jedenfalls bei Verbrauchern handelt es sich meistens um
- Verkehrs-,
- Arbeits-,
- Reise- oder
- Mietrecht.
Prozesskosten richten sich in Deutschland unter anderem nach dem Streitwert, der dort meist nicht hoch ist. Stattdessen sorgen komplizierte Anwalts- und Gerichtskostengesetze für Intransparenz und Angst unter Nichtjuristen, was Versicherungen ausnutzen. Selbst bei einem verlorenen Prozess werden in den genannten Gebieten oft Rechtskosten im insgesamt niedrigen vierstelligen Bereich anfallen. Oft lohnt sich dafür keine Versicherung, die ja vorher abgeschlossen worden sein muss.
Und „Vielkläger“ werden gern nach einer einstelligen Schadenszahl gekündigt und auf die branchenweite schwarze Liste HIS gesetzt – die von den Datenschutz-Aufsichtsbehörden gebilligt wird. Dann können Sie Schwierigkeiten bekommen, künftig (wichtige) Versicherungsverträge zu schließen.
Rechtsschutzversicherungen übernehmen auch in anerkannten Versicherungsfällen nur Pauschal-Gebühren je nach Streitwert. Dieser Wert hat aber nichts mit dem tatsächlichen Aufwand der Anwälte und Gerichte zu tun, sondern ist gerade bei niedrigen Werten unwirtschaftlich. Beispiel: Ein Rechtsanwalt müsste sonst bei dreistelligen Streitwerten einen kompletten, mehrjährigen Gerichtsprozess für pauschal 143 Euro bestreiten. Umgekehrt sind die gesetzlichen Gebühren bei hohen Gegenstandswerten teilweise unverhältnismäßig hoch. Viele Rechtsanwälte vereinbaren daher mit ihren Mandanten Zeithonorare. Die Differenz erhalten Sie nach deutscher Rechtsprechung selbst im Erfolgsfall vom Gegner nicht ersetzt – von Ihrer Rechtsschutzversicherung ebenfalls nicht. Selbst in anerkannten Versicherungsfällen lassen Rechtsschutzversicherungen Sie so mit einer erheblichen Kostenlast allein.
Wenn Sie zusätzlich einen Selbstbehalt vereinbart haben, ist es nicht selten, dass Sie hohe Kosten haben, Ihre Versicherung aber trotz bestätigten Versicherungsfalls null Euro zahlt (Basissatz minus Selbstbehalt gleich null). Tipp: Rechtsanwälte kennen das Problem und beide Abrechnungssysteme. Sprechen Sie frühzeitig mit Ihrem Rechtsanwalt über eine Kosteneinschätzung und fragen Sie gegebenenfalls nach Ratenzahlungen.
Oft ist ein ETF-Sparplan daher lohnender als eine Rechtsschutzversicherung.
Besonders Privatkunden lesen ihre Versicherungspolice nicht und bewahren das „Kleingedruckte“ nicht auf, sodass im Schadensfall schwer nachvollzieh- und nachweisbar ist, was sie überhaupt versichert haben. Versicherungen nutzen das aus, indem sie mit ihren Produkten Risiken versichern, die wenig praktische Relevanz haben. Tipp: Wenn Sie sich rechtsschutzversichern möchten, lesen Sie Ihre Verträge zumindest ungefähr (oder lassen Sie sich wenigstens von Ihrem Versicherungsmakler beraten), speichern Sie sie möglichst vollständig ab und stellen Sie ihn bestenfalls Ihrem Rechtsanwalt zur Verfügung. Ein wohliges Gefühl, irgendetwas versichert und das Problem damit weggeschoben zu haben, ersetzt keinen sinnvollen Versicherungsschutz.
Es gelten für Sie auch nicht die AGB-Fassungen, die Ihre Versicherung tagesaktuell im Internet veröffentlicht, sondern die, denen Sie damals konkret zugestimmt haben. Auch wenn Versicherungen das immer wieder „übersehen“.
Ein häufiger Irrtum: Wenn Sie eine Rechtsschutzversicherung als Verbraucher abgeschlossen haben, gilt diese meist nicht für Sie als Selbstständiger – und umgekehrt. Hier ist auch praktisch nie Kulanz zu beobachten. Tipp: Lesen Sie Ihre Verträge (oder lassen Sie sich wenigstens von einem Makler beraten) und treffen Sie eine bewusste und informierte Entscheidung.
Platz | Name | Positive Erfahrungen befragter Anwälte | Empfehlung (von mir; gut ab 75%, mittel ab 66%) |
---|---|---|---|
1. | ADAC | 83% | |
2. | Zurich/DA Deutsche Allgemeine | 82% | |
3. | Concordia | 78% | |
4. | Ergo/DAS | 78% | |
5. | Allianz | 76% | |
6. | Debeka | 71% | |
7. | R+V/Condor | 69% | |
8. | Roland/AXA/Die Bayerische/HDI | 68% | |
9. | DEVK | 68% | |
10. | Allrecht | 67% | |
11. | HUK Coburg/HUK 24/VRK/Bruderhilfe | 66% | |
12. | LVM | 65% | |
13. | Deurag | 63% | |
14. | Auxilia | 62% | |
15. | Württembergische/Adam Riese | 60% | |
16. | Itzehoer/Alte Leipziger/Hanse Merkur/RS Union | 57% | |
17. | NRV/VHV | 52% | |
18. | BGV Badische | 50% | |
19. | ARAG | 49% | |
20. | ÖRAG/Bavaria Direkt/VK Bayern | 49% | |
21. | DMB Rechtsschutz | 45% | |
22. | Advocard | 43% | |
23. | WGV | 37% |
Die Jahreskosten schwanken je nach Tarif zwischen etwa 280 € (WGV) und 1.000 € (Allianz), basierend auf einer Selbstbeteiligung von meist 150 €.
Beachten Sie, dass die meisten Rechtsschutzversicherungen nur solche Schäden decken, bei deren Eintritt der Versicherungsvertrag schon wenigstens drei Monate bestanden hat. Es funktioniert also nicht, erst nachträglich eine Versicherung abzuschließen. Als Schaden gilt aber nicht schon das zugrunde liegende Rechtsverhältnis (z. B. Arbeitsvertrag), sondern erst das schädigende Ereignis an sich (z. B. Kündigung des Arbeitsvertrags).
Bei österreichischen Mandanten habe ich gute (aber nicht repräsentative) Erfahrungen mit der Allianz Elementar gemacht.