Das Amtsgericht Wolfsburg hat in einem von mir vertretenen Verfahren einen Pfändungsbeschluss zu Lasten der Volkswagen AG erlassen. Zuvor war der Autobauer in einem Prozess vom Arbeitsgericht Braunschweig infolge eines Verstoßes gegen den Beschäftigtendatenschutz verurteilt worden.
Das bemerkenswerte Geschehen begann mit einer gewöhnlichen Personalbewerbung bei dem Wolfsburger Autobauer im Jahr 2022. Es kam zum Vorstellungsgespräch in Wolfsburg. Nach der Absage durch den Autobauer wurde die Erstattung von Reiseauslagen (ICE) geltend gemacht. Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts steht dieser Ersatz Bewerbern zu, wenn sie eingeladen aber nicht eingestellt werden (etwa Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 14.02.1977 – 5 AZR 171/76).
Doch Volkswagen mochte die Kosten nur erstatten, wenn ein ausführliches und unterschriebenes Erstattungsformular eingereicht würde. In dem Formular wurden weitere personenbezogene Daten abgefragt, die zur Zahlung nicht erforderlich waren. Die Erhebung unnötiger Daten zur Zahlung verstößt gegen Art. 6 der Datenschutz-Grundverordnung (DS-GVO). Ebenso wenig existiert eine gesetzliche Pflicht für Bewerber, für den Kostenersatz überhaupt Formulare verwenden zu müssen. Eine rechtliche Begründung für seine gegenteilige Position blieb das Autounternehmen schuldig. Volkswagen machte auch nicht geltend, dass konkrete Daten oder Belege fehlten. Eine Klagedrohung fruchtete nicht.
Entsprechend wurde Zahlungsklage beim Arbeitsgericht Braunschweig eingereicht (Az. 7 Ca 55/23). Nach einiger Diskussion erkannte Volkswagen die Klage an. Mit Urteil vom 13.03.2023 wurde Volkswagen durch das Gericht verurteilt.
Aber Volkswagen zahlte den ausgeurteilten Betrag trotz Aufforderung nicht. Nun forderte Volkswagen zur Zahlung plötzlich die Angabe einer Umsatzsteuer-ID meiner Kanzlei, auf deren Angabe ebenfalls keine Rechtsanspruch bestand. Weder Arbeitnehmer noch Unternehmer sind verpflichtet, überhaupt über eine Umsatzsteuer-ID zu verfügen. (Auf die Idee, die ID in meinem Impressum nachzulesen, kam Volkswagen offenbar nicht.) Als Volkswagens Rechtsabteilung dies einsehen musste, beauftragte das Unternehmen den Zahlungsdienstleister Numiga GmbH mit der Erstattung der Kosten. Numiga behauptete jetzt, dass ein Girokonto eine Überweisung angeblich nicht angenommen habe. Belege wurden nicht vorgelegt. Dem Dienstleister wurde daraufhin ein alternatives Postbank-Konto mit erneuter Zahlungsaufforderung übersandt. Doch auch diese Zahlung vermochte weder Volkswagen noch der Zahlungsdienstleister zu bewerkstelligten.
Nach insgesamt mehreren Monaten Geduld ließ ich nun das Amtsgericht Wolfsburg (als Vollstreckungsgericht) ein Geschäftskonto Volkswagens bei der Commerzbank pfänden, auch wegen der zwischenzeitlich hinzugekommenen Zinsen sowie Anwalts- und Gerichtskosten. Die Commerzbank erkannte die gepfändete Forderung an und beglich sie.
Nach der Kontopfändung meldete sich die aufgescheuchte Buchhaltung Volkswagens – unter Angabe des gerichtlichen Aktenzeichens – bei mir mit der Frage:
„Was hat VW AG nicht bezahlt, dass Sie pfänden müssten?“
Ob das Gericht sein Urteil nicht auf dem richtigen Volkswagen-Formular verfasst hat?
Nachtrag 17.06.2024: Im April 2024 hat das Amtsgericht Wolfsburg einen weiteren Vollstreckungstitel gegen Volkswagen wegen Vollstreckungskosten erlassen. Diesmal wurde gezahlt – ganz ohne Passierschein A38.