Das Verwaltungsgericht Wiesbaden hat einen Eilantrag des Frankfurter Adresshändlers Axciom Deutschland rechtskräftig abgelehnt, mit dem Axciom sich – wie berichtet – gegen eine beabsichtigte Akteneinsicht des Hessischen Beauftragte für Datenschutz und Informationsfreiheit (HBDI) wehren wollte.

In seiner Entscheidungsbegründung schloss sich das Gericht der Argumentation meiner Mandanten – die Datenschutzorganisation NOYB und ein Berliner Beschwerdeführer – an, alle Haupt- und Hilfsanträge Axcioms gegen die Akteneinsicht seien auf eine endgültige Regelung gerichtet, was in einem vorläufigen Eilverfahren unzulässig sei. Damit erübrige sich auch eine sogenannte Beiladung des Beschwerdeführers.

Der Beschwerdeführer und NOYB werfen dem Adresshändler Axciom vor, unzulässig Daten unzähliger deutscher Verbraucher an die Münchener Wirtschaftsauskunftei CRIF zu verkaufen. Dabei werden die Daten zunächst von Axciom zu harmlosen Marketingzwecken erhoben, werden aber in Wahrheit später von CRIF zur Bonitätsbeurteilung verwendet und gespeichert. Dies verstößt unter anderem gegen den Grundsatz der Zweckbindung.

Die Bayerische Datenschutz-Aufsichtsbehörde hat den Ankauf solcher Daten durch CRIF inzwischen für rechtswidrig erklärt, wie in der Presse berichtet. Außerdem habe CRIF falsche Angaben gemacht und ein Auskunftsersuchen des Beschwerdeführers falsch beantwortet. Max Schrems, Vorsitzender von NOYB, hierzu:

„Die deutschen Behörden haben lange genug dabei zugesehen, wie sich CRIF klammheimlich an den Daten von Millionen Deutschen bereichert. Dass die bayerische Datenschutzbehörde den Datenhandel mit Acxiom nun für illegal erklärt hat, ist ein guter erster Schritt. Es braucht klare Konsequenzen für Wirtschaftsauskunfteien, die glauben über dem Gesetz zu stehen.“

Offen ist noch ein Verfahren des HBDI, um auch den Verkauf durch Axciom zu unterbinden. Weil sich dieses behördliche Verfahren etwa seit zwei Jahren hinzieht, beantragte NOYB (auf eigenen Vorschlag der Behörde) Akteneinsicht, um die Fortschritte im Verfahren zu überprüfen, wogegen Axciom wegen angeblicher Gefährdung von Geschäftsgeheimnissen erfolglos vorgegangen war. Unter anderem müsse der HBDI zur Akte gereichte und zuvor von Axciom veröffentlichte allgemeine Geschäftsbedingungen vertraulich behandeln.

Axciom hatte sich gerichtlich von der Münchener Kanzlei CSW Rechtsanwälte vertreten lassen.

NOYB (None of your business) wurde vom österreichischen Datenschutzjuristen Max Schrems gegründet. Schrems wurde vor allem dadurch bekannt, dass er wiederholt Beschlüsse der EU-Kommission („Safe habor“ und „Privacy shield“) vor dem Europäischen Gerichtshof zu Fall brachte. Diese Beschlüsse hatten ohne besondere Schutzmaßnahmen Exporte personenbezogener Daten von EU-Bürgern in die USA vor allem zugunsten von US-Unternehmen wie Meta, Microsoft oder Alphabet sowie US-amerikanischen Nachrichtendiensten ermöglicht. Im Nachgang verhängte die irische Datenschutz-Aufsichtsbehörde gegen Meta (ehemals Facebook) Irland wegen solcher Datenexporte eine Geldbuße in Höhe von 1,2 Milliarden Euro. Heute beschäftigt NOYB in Wien zahlreiche engagierte verschiedensprachige Datenschutzjuristen, teils von Aufsichtsbehörden abgeworben, um Datenschutzrechte der Bürger EU-weit durchzusetzen.

Die Durchsetzung des Datenschutzrechts ist eigentlich Aufgabe der Datenschutz-Aufsichtsbehörden, die aber gerade in Deutschland häufig ineffizient (etwa mit Papierakten) und langsam bis gar nicht arbeiten und zwar auch schon vor Geltung der DS-GVO. Nicht selten versanden Verfahren und es kommt nie zur Entscheidung. Teils verfügen die Behörden über fachlich wenig qualifizierte, motivierte und am Thema interessierte Mitarbeiter und zahlen im Vergleich mit der Privatwirtschaft kaum qualifikations- und markterforderliche Gehälter (was in Verbindung mit einem sicheren Job, kaum vorhandener persönlicher Haftung und nur sehr mittelbarer Leistungsabhängigkeit entsprechende Anreize setzt). Die Behörden verhängen wirtschaftlich ins Gewicht fallende Sanktionen derart zurückhaltend (im letzten Tätigkeitsbericht für 2022 spricht der HBDI etwa von 53 neuen Bußgeldverfahren bei 5.808 Beschwerde- und Datenpannenverfahren, was einer Quote von unter 1% entspricht), dass Unternehmen daraus die Lehre ziehen müssen, dass Datenschutzverstöße kaum jemals wirtschaftlich spürbar sanktioniert werden und sich daher im Zweifel lohnen. Gerade die hessische Aufsichtsbehörde musste immer wieder gerichtlich zum Tätigwerden verurteilt werden. Zuletzt vertrat der HBDI sogar offiziell und erfolglos vor dem EuGH, seine gesetzliche Unabhängigkeit diene dem Zweck, ihn vor gerichtlicher Verurteilung zum Tätigwerden zu schützen. Dass es anders geht, zeigt etwa die für Informationssicherheit in Finanzunternehmen zuständige BaFin, die eine deutlich höhere Kontrolldichte aufweist, ihre Vorgaben viel konsequenter durchsetzt (obwohl Finanzunternehmen in der Regel gut anwaltlich vertreten sind) und durchaus ernst genommen wird.

Selbst in Bagatellverfahren wegen Falschparkens werden konsequenter Bußgelder festgesetzt (Bußgeld Regel) als durch die Datenschutz-Aufsichtsbehörden (Bußgeld Ausnahme), obwohl die Bußgeldrahmen der DS-GVO um ein Vielfaches höher sind. Die Dysfunktion deutscher Datenschutz-Aufsichtsbehörden bestätigen auch damit befasste Richter (etwa Schild, DuD 2023, 565) und Anwaltskollegen, wobei zahlungskräftigere Unternehmen vertretende Wirtschaftsanwälte diese Defizite mitunter eher begrüßen und durch Nebenkriegsschauplätze wie das vorliegende Verfahren aktiv pflegen. Das allzu zögerliche Handeln der Aufsichtsbehörden, organisatorisch teils gestützt durch ein ungutes Kaderdenken, verletzt nicht nur seit Jahren die Rechte von Verbrauchern, sondern verzerrt auch den Wettbewerb zulasten der vielen Unternehmen, die sich rechtstreu verhalten.

Seit Jahren fassen die Datenschutz-Aufsichtsbehörden zudem immer wieder gemeinsame Positionierungsbeschlüsse, deren Vollzug sie hinterher aber verweigern und sich damit letztlich selbst vorsätzlichen Verfassungsbruch bescheinigen. Denn Behörden sind an das Gesetz gebunden, dessen auch subjektive Auslegung sie durch ihre Beschlüsse dokumentieren.

Eine Frist zur Stellungnahme ließ die Pressestelle des HBDI verstreichen.

Aktenzeichen des Gerichts und Download: VG Wiesbaden, Beschluss vom 15.01.2024 – 6 L 802/23.WI.

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